Pro und Kontra Anlehnbügel

Anlehnbügel erfüllen nicht die Anforderungen der Qualitätsnorm DIN 79008 "Stationäre Fahrradparksysteme"!

Trotzdem werden sie unbeirrt von vielen Architekten und Stadtplanern gerne wegen ihrer vermeintlichen stadtgestalterischen Unauffälligkeit eingesetzt. Auf Architektenzeichnungen mag das gut aussehen und auch für leere Anlagen gelten, in der Praxis ist aber eher das Gegenteil der Fall: Da die Anlehnbügel den Nutzern konstruktiv keine Einstellordnung vorgeben (vorwärts, rückwärts, einseitige oder beidseitige Beparkung) und ungünstig angeschlossene Fahrräder nicht selten umstürzen, bietet sich in Anlehnbügelanlagen häufig ein unordentliches und chaotisches Bild. Aber auch im Hinblick auf Kosten, Flächenbedarf, Nutzerfreundlichkeit und Diebstahlschutz sind Anlehnbügel eher unvorteilhaft:

Kosten

Anlehnbügelmodelle sind gar nicht mal so preiswert, die Anschaffungskosten liegen je nach Modell zwischen 50 und 150 € pro Bügel, Ausführungen in Edelstahl und Designermodelle werden auch in Preislagen bis zu 400 € angeboten.

Die allermeisten Anlehnbügelmodelle müssen an ihren Fußenden in Betonfundamente eingegossen werden. Die damit verbundenen Nachteile werden meistens nicht ausreichend berücksichtigt:

Einzelfundamentierung Anlehnbügel

Einzelfundamentierung

Rückbau Anlehnbügel

Aufwändiger Rückbau

  • Hohe Errichtungskosten durch die aufwändige Einzelfundamentierung

  • Kein einfaches Versetzen der Anlage möglich (z. B. vorübergehend für eine Baumaßnahme oder dauerhaft für eine Anpassung an geänderte Nutzernachfrage)

  • Hohe Rückbaukosten (Ausbau mitsamt der Fundamente) oder zerstörender Rückbau (Abflexen) ohne die Möglichkeit einer Wiederverwendung

Flächenbedarf

Bei Anlehnbügeln stehen alle Räder niveaugleich, eine Entzerrung der Lenker muss durch entsprechende Abstellung durch die Nutzer erreicht werden, z. B. durch antiparallele Abstellung oder durch Längsversatz benachbarter Räder. Das wird aber nicht konstruktiv eindeutig durch die Anlage vorgegeben, sondern liegt im Belieben der Nutzer und ist somit zufällig und oftmals ungünstig. In der Praxis stehen daher die Fahrräder an Anlehnbügeln absichtlich oder unabsicht­lich um typischerweise bis zu einem Laufraddurch­messer längsversetzt zuein­ander (im Gegensatz zur idealisierten Annahme in den "Hinweisen zum Fahrradparken" der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV). Planer müssten diesem Effekt eigentlich bei mehrreihigen Anlagen durch einen entsprechend größeren Mittelachsen­abstand Rechnung tragen; das unterbleibt aber in der Regel, so dass die Nutzer in der Realität mit unzureichender freier Gassen­breite zwischen den Reihen zu kämpfen haben.

Vergleich Flächenbedarf Anlehnbügel-Reihenparker

  • Unter Berücksichtigung dieses Effekts ist für Anlehnbügel eine Stellraumtiefe von mindestens 2,7 m anzunehmen, so dass sich ein größerer Flächenbedarf ergibt: Für beidseitige Beparkung beläuft er sich bei (nach FGSV) empfohlenem Montageabstand von 1,5 m auf 0,75 m  2,7 m = 2,025 m2, bei Mindest-Montageabstand von 1 m auf 0,5 m  2,7 m = 1,35 m2 pro Fahrrad.

    ADFC-empfohlene bzw. DIN79008-konforme Reihenparker mit Hoch-/Tiefstellung kommen dagegen bedingt durch ihre konstruktiv eindeutig vorgegebene Abstellweise mit einem deutlich geringeren Flächenbedarf von 0,5 m  1,9 m = 0,95 m2 aus.

Nutzerfreundlichkeit

  • Fahrradkörbe, Kindersitze oder angehängte Packtaschen bereiten beim Parken an Anlehnbügeln oftmals Schwierigkeiten, da sich dann diese Anbauteile statt des Fahrradrahmens am Anlehnbügel abstützen. Die Nutzer haben in solchen Fällen oft einige Mühe, für ihr Fahrrad trotzdem eine ausreichend stabile Parkposition zu finden. Das Ab- bzw. Einhängen von Packtaschen ist im angelehnten Zustand am Anlehnbügel meistens gar nicht möglich, sondern erfordert in der Regel ein "Zwischenparken" auf dem fahrradeigenen Ständer.

  • Anlehnbügel verleihen einem Fahrrad die notwendige Standsicherheit nur in Kombination mit einem angelegten Fahrradschloss, das möglichst an der horizontalen Bügelstange angelegt und gut gegen Verrutschen gesichert sein muss. Wenn beim Ein- bzw. Ausparken das Schloss noch nicht bzw. nicht mehr angelegt ist, muss der Nutzer selbst für die notwendige Fixierung sorgen. Anderenfalls können die folgenden, gerne auch in Kombination miteinander zu beobachtenden Effekte auftreten, die das Fahrrad in Schräglage rutschen oder vollständig umfallen lassen:

    • Schon auf geringfügig abschüssigem Untergrund kann das Fahrrad wegrollen und damit seine stabile Parkposition verlieren. Bei stärkeren Neigungen des Untergrundes tritt dieser Effekt selbst bei angelegtem Fahrradschloss auf, und der Nutzer muss zusätzlich z. B. durch Verhaken eines Pedals mit einem senkrechten Bügelholm für eine Wegrollsicherung sorgen.
      Bei der Errichtung von Anlehnbügel-Anlagen wird oftmals nicht auf diesen Effekt und einen daher notwendigen hinreichend ebenen Untergrund geachtet.

    • Bei Lastwechseln (Ab- bzw. Einhängen von Packtaschen, Verladen von Einkäufen, Verladen von Kindern in ihren Kindersitz) kann es leicht zu einem Umschlagen des Vorderrades kommen. Dadurch kann das Vorderrad vom Bügel wegrollen und das Fahrrad in Schräglage bringen. Beim "Kreuzberger Bügel" und ähnlichen Modellen kann die zusätzliche Querstange (Knieholm) dieses Umschlagen des Vorderrades und damit diesen Effekt weitgehend vermeiden.

    • Ohne angelegtes Schloss kann ein Fahrrad leicht umgestoßen werden. Dies kann auch passieren, wenn ein angelegtes Fahrradschloss an den senkrechten Schenkeln des Anlehnbügels nach unten gerutscht ist.

  • Bei beidseitiger Beparkung können sich Lenker und Bowdenzüge benachbarter Fahrräder miteinander verhaken. Wenn diese unachtsam oder grobschlächtig entwirrt werden, sind Sachschäden zu befürchten. Diese Probleme verschärfen sich, wenn bei hohem Parkdruck über die nach Montageabstand vorgesehenen Stellplätze hinaus zusätzliche Fahrräder dazwischengestellt werden.

  • Auch ein unabsichtliches Mitanschließen benachbarter Räder am selben Bügel kommt hin und wieder vor.

  • Viele Bauformen von Anlehnbügeln werden aus kantigen Metallprofilen (Flachstahl, Vierkant- oder T-Profile) herstellt, die schon bei geringfügig unsanfter Berührung eine Kerbwirkung auf Lack und Rahmenteile ausüben und damit Lackschäden provozieren.

Diebstahlschutz

Auch beim Diebstahlschutz können viele Anlehnbügelmodelle mittlerweile nicht mehr als sicher angesehen werden, seit Fahrraddiebe den Einsatz von Rohrabschneidern für sich entdeckt haben. Damit lassen sich die Rundrohre der Bügel lautlos in kaum einer Minute durchtrennen und das angeschlossene Fahrrad bequem entnehmen. Diese Diebstahlmasche dürfte einerseits die weitere Verbreitung der lackunfreundlichen Modelle aus kantigen Metallprofilen begünstigen. Lackfreundliche Modelle müssen so umkonzipiert werden, dass ein Einsatz von Rohrabschneidern unmöglich gemacht wird, z. B. durch Verwendung elliptischer oder ovaler Rohrquerschnitte, durch Aufbringen einer längsseitig durchgehenden Schweißnaht oder durch Einziehen eines Stahlseils im Rohrinneren. Das treibt die Herstellkosten in die Höhe, eine Hochrüstung bestehender Anlagen ist mit vertretbarem Aufwand heute nicht möglich.

Fazit

Die Beliebtheit der Anlehnbügel bei Planern ist aus Nutzersicht überhaupt nicht nachvollziehbar. ADFC-empfohlene bzw. DIN 79008-konforme Reihenparker sind in den allermeisten Anwendungen eindeutig die bessere Wahl!

Wo häufig Kinder in ihre Fahrrad-Kindersitze verladen werden müssen, sind Anlehnbügel als Fahrradhalterung eine ganz schlechte Wahl mit entsprechendem Gefahrenpotenzial. Das betrifft insbesondere die Abstellanlagen von Kindergärten, aber auch Schwimmbäder oder touristische Orte wie Strandübergänge. Auch an Einkaufsstätten oder Hotels, wo Einkäufe bzw. Reisegepäck verladen werden, sind Anlehnbügel eher problematisch.

 

 

 


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